Tourismus aktuell: Zuag´sperrt. Ausg´sperrt. Obdraht. Geht´s no?

Warum wir der festen Überzeugung sind, dass Aufsperren die bessere Lösung ist. Ein Essay gegen die Absageritis.

Wer sich in diesem Coronaherbst auf die Suche nach Zerstreuung begibt, erlebt seltsame Überraschungen und viele Ausladungen von Einladungen. Aber nicht nur Veranstaltungen werden abgesagt, das Virus der Absageritis mutiert und greift auf den Tourismus über. Sigrid Neureiter hat dazu ein paar ganz subjektiv ausgewählte Beispiele zusammengetragen.

Ich bin zuogroaste Wienerin, Josefstädterin, Salzburgerin mit Tiroler Wurzeln, verheiratet mit einem Deutschen, Nachrichtenleserin von Berufs wegen und leidenschaftliche Verfechterin des Appells, die Kirche doch bitte im Dorf zu lassen. Aber gerade das passiert in letzter Zeit immer weniger, wie die folgenden wahren Begebenheiten zeigen.

Beispiel 1: Axamer Lizum will Skigebiet nicht aufsperren

Als Enkelin von Innsbrucker Großeltern verbrachte ich meine Weihnachtsferien stets in der Landeshauptstadt Tirols. Schifahren, oder wie es jetzt heißt, Skifahren war dabei Pflicht und eine Abfahrt über die Pisten der Axamer Lizum gehörte dazu. Vor zwei Jahren verbrachte ich mit meinem Mann den Sommerurlaub in der Gegend. Es erfüllte mich mit nostalgischem Stolz, ihm die Axamer Lizum zeigen zu können und uns beide mit der Standseilbahn auf die höchsten Gipfel zu befördern. Entsprechend geschockt las ich kürzlich die folgende Zeitungsmeldung „Skigebiet Axamer Lizum will geschlossen halten“.

Wie jetzt? Ganz Tirol bereitet sich auf einen Corona-konformen Winter vor, Après-Ski wird verboten, um die Ansteckungsgefahr auf ein Minimum zu reduzieren - und dann will eines der bekanntesten Tiroler Skigebiete seine Lifte nicht in Betrieb nehmen?

Die fehlenden Anpassungen der Gesetzeslage für Entschädigungsansprüche aus dem Epidemiegesetz, die Reisewarnungen aus benachbarten Ländern mit den Stornierungen in den vergangenen Tagen sowie der damit verbundene negative wirtschaftliche Ausblick für die Bergbahn seien als Gründe genannt worden, berichten die Tiroler Tageszeitung, die Krone u.a.

Die Retourkutsche kam prompt: Sind die Einheimischen keine Gäste? Sind die nicht willkommen, nichts wert? Genau da wird das Dilemma offenbar: Die Einheimischen, die immerhin mit ihren Abgaben solche Anlagen mitfinanzieren, sind augenscheinlich tatsächlich oft nichts wert. Das gilt nicht nur für die Tiroler Skilifte, sondern auch für die Wiener Museen. Die wollten ja ursprünglich im Juni mangels Gäste aus dem Ausland auch geschlossen halten … Geht´s no?

Beispiel 2: Bayrische Almhütte sperrt Tiroler Gäste aus

Aber kommen wir zurück zu den Tirolern. Die haben´s derzeit wirklich schwer. Nicht nur, dass man ihnen ihre eigenen Skilifte, zumindest die in der Axamer Lizum, nicht aufsperren will, werden sie jetzt auch noch ausgesperrt. Und zwar vom Wirt einer bayrischen Almhütte, wie die Tiroler Tageszeitung berichtet. Konkret geht es um die Priener Hütte in der deutschen Gemeinde Aschau nahe der tirolerisch-bayrischen Grenze bei Kufstein. „Leider kein Zutritt für Gäste aus Tirol“ steht da an der Hüttenpforte.

„Wir haben um Gottes willen nichts gegen Tiroler“, versichert Hüttenwirt Andreas Buttler laut TT. Die deutschen Coronabestimmungen machten jedoch diese Vorgehensweise erforderlich. Denn wer von Tirol nach Deutschland reist, muss in Quarantäne. Auch dann, wenn die „Reise“ nur aus einem zweistündigen Fußmarsch vom Walchsee zu besagter Hütte und wieder retour führt. Denn eine 48-Stunden-Ausnahmeregelung, wie sie für deutsche Gäste in Tirol gilt, gibt es umgekehrt nicht. Geht´s no?

Beispiel 3: In Salzburger Getreidegasse wackelt Weihnachtsbeleuchtung

S249 Getreidegasse Salzburg Symbolfoto

Symbolbild

In der Getreidegasse seien im Corona-Krisenjahr zu wenig Unternehmen bereit, sich an den Kosten für die traditionelle Weihnachtsbeleuchtung zu beteiligen, berichten die Salzburger Nachrichten. Dort, wo sich das ganze Jahr über Touristen und manchmal sogar Einheimische gegenseitig auf die Füße trampeln, sollen also heuer im Advent die Lichter aus- bzw. gar nicht erst angehen.

Als Josefstädterin bin ich das ja schon gewohnt. Unsere schönen blauen Weihnachtskugeln in der Josefstädterstraße werden seit Jahren mangels Finanzierung nicht mehr montiert. Nun soll es aber auch den Lichterketten und Weihnachtssternen, die im Advent mit den alten Straßenschildern in der Getreidegasse quasi um die Wette leuchten, an den Kragen gehen. Weil, wie es heißt, es trotz mehrfacher Bemühungen nicht gelungen sei, die erforderliche 80-prozentige Beteiligung der Altstadtkaufleute an den Kosten zu erreichen.

249 Josefstadt Symbolfoto

Ehemalige Weihnachtsbeleuchtung in der Josefstädter Straße

Noch ist – ähnlich wie bei den Skiliften in der Axamer Lizum – das letzte Wort nicht gesprochen. Der Salzburger Bürgermeiste schreit gerade Zeter und Mordio und fordert das Einschalten ein. Immerhin würde die Stadt eine Million Euro jährlich zuschießen. Doch wie immer die Sache auch ausgeht, ein bitterer Nachgeschmack bleibt auf jeden Fall. Auch in Salzburgs Altstadt, so scheint´s, würde man am liebsten nur für die Touristen aufsperren bzw. die Lichter aufdrehen. Die Einheimischen dagegen, die heuer den ganzen Sommer in Österreich als Touristen herhalten durften und dies vermutlich auch im Winter wieder tun sollen, werden als Gäste und Kunden zweiter Klasse behandelt. Geht´s no?

Beispiel 4: Salzburger Christkindlmarkt traut sich mit Abstand

Doch es gibt auch positive Beispiele: Der Salzburger Christkindlmarkt will – nach heutigem Stand und unter strengen Corona-Auflagen – aufsperren. Und das, obwohl auch hier nicht wie sonst mit Gästen aus aller Welt zu rechnen ist, es keine Stehtische und voraussichtlich eine Einbahnregelung geben wird. Ermöglichen soll dies laut SN ein in der Langfassung rund 80 Seiten starkes Vorsorgekonzept. "Wir haben uns sehr bemüht und fünf Monate lang daran gearbeitet", sagt der Obmann des Vereins Christkindlmarkt, Wolfgang Haider, zu den Salzburger Nachrichten. Geht do!

249 Salzburg Christkindlmarkt Symbolfoto

Eines ist sicher: Die Menschen werden es sich merken, die positiven Beispiele ebenso wie die negativen. Und am Ende werden die die Nase vorn haben, die auch in der Krise zeigen, dass Gastfreundschaft für sie kein leeres Wort ist und dass ihnen die Einheimischen genauso lieb sind wie alle anderen – auch wenn erstere vielleicht nicht ganz so große Umsätze bringen, wie man es gewohnt ist. Aber in diesem Jahr sitzt uns das Geld wohl allen nicht so locker im Börsl. Und da werden wir uns zweimal überlegen, wem wir es gern geben – heuer und in Zukunft.

Beispiel 5: Urlaubsverbot im eigenen Land

P.S.: Nach Redaktionsschluss hat uns noch diese Meldung erreicht: „Urlaubsverbot für Deutsche im eigenen Land“ titelt die Kronenzeitung und beruft sich dabei auf die Bild. Nach dem Vorbild Bayerns (siehe Beispiel 2) soll, wer aus einer als Risikogebiet eingestuften Gegend in Deutschland kommt, im eigenen Land nicht mehr in einem Beherbergungsbetrieb absteigen dürfen – es sei denn, er weist einen negativen PCR-Test vor, der nicht älter als 48 Stunden ist. De facto bedeutet der Regierungsbeschluss, dass Deutsche in Deutschland nicht mehr Urlaub machen dürfen. Geht´s no?

Fünf Bundesländer haben allerdings schon erklärt, bei dieser Regelung nicht mitmachen zu wollen. Geht do!

P.P.S.: Gab es da nicht irgendwann einmal so etwas wie ein Vereintes Europa?

© Sigrid Neureiter, Dr. Neureiter-PR

Titelbild: Symbolbild/Fotomontage

Fotos: ©Dr. Neureiter-PR